Sonntag, 1. November 2009

DeWitt/Bosland: The Complete Chile Pepper Book

Wie jetzt, ein Buch über Chili? Ja, und was für eines!

 
 Um die Bedeutung des Buches zu erklären, muss man etwas weiter ausholen: Die Autoren Dave DeWitt und Paul Bosland sind tätig am Chile Pepper Institute der New Mexico State University. Sie haben nicht nur über Jahrzehnte wissenschaftlich und hands-on mit dem Anbau von Chili beschäftigt, sondern sie haben gleichzeitig eine große Passion für das Thema Chili. Es ist also keine trockene ausschließlich wissenschaftliche Abhandlung über die verschiedenen Chiliarten zu erwarten, sondern über die alltagstaugliche Sortenbeschreibung hinaus eine realitätsnahe Beschreibung von Tricks und Kniffen die gerade dem Amateur der auf dem Balkon Chili anbaut echte Hilfestellung bieten. 

 Das Chile Pepper Institute sowie die beiden Autoren sind schlicht die Referenz an Sachkunde und neutraler Beurteilung, was Chilis angeht. Schließlich sind sie es, die allgemein gültige und vom Guiness Buch der Rekorde anerkannte Beurteilungen über die Schärfe von Chilis treffen können. Als die Bhut Jolokia offiziell zur schärfsten Chili der Welt gekürt wurde, war dies auf Basis einer Schärfemessung unter genau dokumentierten Voraussetzungen und Methoden des Chile Pepper Institute.
 Kurz: Die Autoren sind nicht nur die wohl kompetentesten Chiliexperten der Welt, die sind auch passionierte Chiliheads. Gute Voraussetzungen für ein lebensnahes Buch.

 Der vollständige Titel des Buchs ist: "The Complete Chile Pepper Book: A Gardener's Guide to Choosing, Growing, Preserving, and Cooking" von Dave DeWitt und Paul W. Bosland. Der Titel macht schon deutlich klar, an wen sich das Buch wendet und was man erwarten sollte: Es ist primär für Menschen, die im eigenen Garten Chili anbauen und beinhaltet gleichberechtigt die Themen Historie, Auswahl (Sortenbeschreibung), Anbau, Konservierung und Verwendung. Die ISBN Nummer ist 0881929204. Anhand dieser ISBN kann die aktuelle Lieferbarkeit des Buchs beispielsweise bei Bookbutler abgefragt werden, der Link zur Direktabfrage ich hier. Einen Trailer zum Buch gibt es auf youtube unter http://www.youtube.com/v/3d2JvbqhbME

 Zunächst war ich vom Unfang des Buchs überrascht: Es ist deutlich dicker als erwartet und qualitativ sehr hochwertig. Dann fiel mir auf, welche Schwerpunkte das Buch setzt: Es ist eine sehr ausgewogene Mischung aus einer Erklärung der Kulturgeschichte, Ratschlägen zum Anbau und schließlich sehr ausführlichen Rezepten zur Chiliverwendung. Wie erwartet, ist es also nicht einfach ein trockenes wissenschaftliches Werk, es ist ein sehr lebensnahes Buch das die gesamte Chilibegeisterung in Worte und Ratschläge fasst. Mehr als 1/3 des Buches sind ausschließlich Kochrezepte und auch im Konservierungs-Teil des Buchs sind viele Rezepte abgedruckt.



  Was es meiner Meinung nach nicht ist, ist das ein-und-alles-Werk das wirklich sämtliche Aspekte der Chilizucht vollständig und in der Tiefe abdeckt. Dies hatte ich zwar nicht erwartet, es wird jedoch im Klappentext versprochen. Das Buch geht sehr weit in die Breite und deckt alle Aspekte von der Kulturhistorie über den Anbau bis zu Kochrezepten alles ab, geht jedoch nur selten in die wissenschaftliche Tiefe. Wer also beispielsweise vorhat, sich detailliert mit der Veredelung und der Sortenzucht zu beschäftigen, der kommt um diesbezüglich spezielisierte Fachliteratur nicht herum. Dafür werden realistisch und direkt anwendbar die wichtigen Handgriffe gezeigt und mit sinnvollen Fotos illustriert, beispielsweise die Zucht von Bonsai-Chilis. Was leider oft fehlt, sind schematische Darstellungen, wie man sie aus deutscher Literatur kennt. Es gibt also viele bunte Fotos beispielsweise von verschiedenen Anbautechniken, oft wäre für das Verständnis und die Umsetzbarkeit jedoch eine schematische Darstellung besser gewesen. Generell sind die Fotos etwas inkonsistent und man merkt deutlich, dass die Autoren oft auf Bildmaterial verschiedenster Quellen zurückgreifen mussten. 
Zu beachten ist auch, dass das Buch viele Themen einfach als "bekannt" voraussetzt. Beispielsweise die künstliche Beleuchtung von Keimlingen und Pflanzen wird quasi garnicht erklärt, da ist eine schnelle Google-Suche auf Growseiten informativer. Man hat wohl in New Mexico nicht das Problem, künstlich beleuchten zu müssen.



 Falls es von diesem Buch eine weitere Revision gibt, würde ich mehr selbst und konsistent erstellte Fotos empfehlen, mehr schematische Darstellungenen und mehr Verweise und Links zu tiefergehenden Werken.

 Ebenfalls überrascht war ist, dass die mir ansonsten sehr vertraute englische Sprache zwei Probleme mit sich brachte: Einerseits kenne ich viele Fachbegriffe gerade mal auf Deutsch, nicht auf Englisch. Das war zu erwarten, von der Heftigkeit war ich aber doch etwas überrascht. Sehr oft musste ich innerhalb eines Satzes mehrfach nachschlagen, was die Fachbegriffe denn bedeuten. Daran gewöhnt man sich aber recht schnell und hat auch die englischen Fachbegriffe unproblematisch ins Vokabular aufgenommen. Ein Thema das ich absolut nicht auf dem Schirm hatte, sind die Größen- und Temperaturangaben. Selbstverständlich werden in den USA inch und Fahrenheit verwendet, dass das Buch aber dermaßen damit gespickt ist, hätte ich nicht erwartet. An sich ist es logisch, denn bei der Anzucht sind viele Temperatur- und Größenangaben unerlässlich. Hier sollte man sich eben nicht daran stören immer geistig umrechnen zu müssen. 

 Was in diesem Buch einmalig überspringt ist die Kombination aus wissenschaftlichen Kenntnissen und der emotionalen Begeisterung für das Thema Chili. Es ist nicht nur ein unglaublich breites Nachschlagewerk sondern auch ein bisschen eine Liebeserklärung an die Chili. Es deckt wohl 95% aller Fragen im Chilianbau ab und das von der Sortenbeschreibung bis zum Kochrezept. Daneben ist es sehr einladend um einfach darin zu schmökern und sich vom Thema begeistern zu lassen. Für die jetzt beginnende Zeit zwischen Ernte und dem nächsten Anbau optimal. Wenn man durch die mehr als 300 Seiten schmökert, juckt es zwar immer mehr in den Fingern, unabhängig von Sinn oder Unsinn gleich im November mit der Saat zu beginnen, man bekommt aber gerade für unsere im Vergleich zu Mexiko eher kühlen Anbaubedingungen wertvolle Hilfestellungen und überdenkt vielleicht die eine oder andere Planung.



Fazit: Wer ein Weihnachtsgeschenk für einen Chilibegeisterten mit sehr guten Englischkenntnissen sucht, ist mit diesem Buch wahrscheinlich goldrichtig. Es ist nicht unbedingt die Instant-Anleitung zum Chilianbau, aber es verbindet wunderbar ein breites Feld an Informationen mit sehr viel Passion. Und die Konstruktion von Pflanzenlampen liest man eben weiterhin im Chiliforum.